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Geschichte der Stadt

Eine Zusammenfassung nach dem Buch RETZ - 7 Jahrhunderte Tradition von Heinrich Prohaska (1996) das via Infoservice bestellt werden kann.

[Mit Dank an Tiia Dessyllas für die Texterfassung und -korrektur]

Das Werden des Landes

Nachdem ein Babenberger, Leopold, Mitte des 11. Jh. die slawische Wallburg bei Gars am Kamp (Holzwiese) erobert hatte, überließ der Herzog von Böhmen, Bretislav I., Teile des Nordwaldes bis zur Thaya den Babenbergern. Damals entstanden in diesem Gebiet (Böhmische Mark) deutsche Orte. Einer davon war die Bauernsiedlung Rezze.

Seit etwa Mitte des 12. Jhs. scheinen die mächtigen und einflußreichen Salzburger Grafen von Plain die Herren von Hardegg gewesen zu sein, in deren Herrschaftsbereich auch Rezze lag. Schon im 11. Jh. könnte Retz der Kreuzungspunkt zweier mittelalterlicher Handelswege gewesen sein. Der Thayatalweg, der vom Osten herführte und Drosendorf, Raabs, Neuhaus/Jindrichüv Hradec und Tabor zum Ziel hatte, kreuzte hier (Pfarrgasse/Znaimerstraße) den Rittsteig, der von Krems kommend über das Kamptal und Strassertal nach Norden, nach Znaim führte.

Die mittelalterliche Maut

In der kaiserlosen Zeit (Interregnum), vielleicht auch schon etliche Jahre früher, als Kaiser Friedrich II. vom Papst in den Bann gesetzt war und viele der Fürsten vom Kaiser abgefallen waren, könnten sich die Grafen von Hardegg an dem Kreuzungspunkt Retz selbstherrlich ein Mautrecht angeeignet haben. Mautrecht war, wie Straßenrecht, ein Königsrecht, ein Regal.

Unweit des Kreuzungspunktes, auf erhöhter Stelle (heute Althof) müßte damals eine Burg entstanden sein, deren Bergfried vor kurzem ergraben wurde. Er war freistehend, 8,40 x 8,40 m, dürfte 16 - 20 m hoch gewesen sein und hatte an der Basis eine Mauerstärke von 3 m. Als dann 1251 der König von Böhmen Premysl Otakar II. die Herrschaft in Österreich und der Steiermark übernahm, hat er vermutlich den Grafen von Hardegg mit dem Mautrecht belehnt. Denn aus dem Testament, das die letzten Grafen von Plain, Otto und Konrad 1260 verfaßten, scheint die Maut von Retz als Lehen auf. Dieses Testament wurde erst vor wenigen Jahren in Prag gefunden, und aus dem Testament ersehen wir erst jetzt, wie mächtig dieses hochfreie Geschlecht der Grafen von Plain war, denn sie sahen eine Anzahl von Lehen als Legate für ihre Frauen vor. Beide Brüder waren noch 1260, vor der Schlacht von Groissenbrunn durch Ungarn erschlagen worden.

Die Witwe Wilbirgis (nach Otto von Plain) heiratete in dritter Ehe den Thüringer Grafen Berchthold von Rabenswalde, aus dem Geschlecht der Schwarzburger. Daher auch der Schwarzburger Löwe als Wappentier im Retzer Wappen. Graf Berthold war Waffengefährte König Rudolfs I. von Habsburg, schon 1276 und abermals in der Schlacht von Dürnkrut-Jedenspeigen an der March, in der König Premysl Otakar II. fiel. Nach dieser Entscheidungsschlacht baute Graf Berthold unmittelbar neben drei bestehenden untertänigen Bauernortschaften, auf seinem eigenen Grund, die befestigte Stadt Retz (Recze). Diese drei untertänigen Bauernortschaften waren schon im Mittelalter als "Altstadt Recze", auch als "Alte Stadt" bezeichnet worden. Sie waren aber nie Stadt. Der Name Altstadt entwickelte sich aus dem Begriff der alten Siedlungsstätte. Sie wurden 1848 zu einer Gemeinde "Altstadt Retz" zusammengefaßt und erst 1941 in die Stadtgemeinde eingegliedert. Stadt war durch Jahrhunderte nur, was innerhalb der Stadtmauern stand.

Die Stadt Retz

Die Burg, die bereits stand, wurde in die Stadt integriert und wurde Nord-West-Ecke (heute Althof). Der Rittsteig war die Nordsüdachse zur Stadtgründung. Auf ihm stehen die beiden Stadttore, im Süden das Kremser- oder Nalbertor, im Norden das Znaimertor. Wie D. I. Erwin Reidinger in seiner Arbeit "Mittelalterliche Gründungsstädte in Niederösterreich" aufzeigt, waren Stadtplätze grundsätzlich im Verhältnis kurze Seite: lange Seite, wie 2:5 angelegt worden. Das stimmt bei dem herrlichen Marktplatz sehr genau. Verblüffend ist aber die Tatsache, daß die Diagonalen quer über den Platz 100 Klafter in der Länge haben. (Ein Klafter ist ein menschliches Maß. Bei ausgestreckten Armen gibt die Länge von ausgestrecktem Mittelfinger zu Mittelfinger einen Klafter, also 1,77 bis 1,80 Meter). Dr. Rizzi hat das ehemalige Westtor der Marienkapelle (Rathaus) als frühgotisch erkannt und aus der Zeit um 1280 eingeschätzt. Ist die Marienkapelle schon vor der Stadtgründung auf freiem Feld gestanden, dann ist es umso überraschender, daß die Achse der Kapelle nicht genau geostet ist und mit ihrer Verlängerung auf den Schnittpunkt der Diagonalen des Platzes zusammentrifft. Dieser Schnittpunkt ist der Mittelpunkt für die Stadtanlage

Kloster

Zur Stadtgründung (Urkunden darüber dürften durch spätere Brände verloren gegangen sein) wurden die Dominikaner nach Retz gerufen, deren Kirche schon im 13. Jh. fertig war. Die Kreuzrippengewölbe sind noch aus der Gründungszeit: Kirche und Kloster waren an der Südwestecke der Stadt Teil der Stadtbefestigung.

Dominikanerkirche und Kloster  

Schloss

Dort, wo heute das "Neue" Schloss steht (SO-Ecke), das aber erst 1490 gebaut wurde, war bis in das ausgehende 15. Jh. ein festes Haus als Wirtschaftshof für die Herrschaft der Burg entstanden. Das Schloss ist seit 1709 im Besitz der Gatterburg-Suttner, die die Herrschaft Retz von Graf Hoyos kaufte.

Das Schloss

Stadtbefestigung

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Sie bestand aus einer hohen inneren Stadtmauer mit Wehrgängen, davor lag, etwas tiefer, der Zwinger mit in den Stadtgraben hineinreichenden Zwingermauern.

Der Stadtgraben war 6 - 8 m tief, hatte aber nie Wasser. Der Stadtgraben war außen mit einer Grabenmauer abgeschlossen, die bis zum umliegenden Gelände aufragte. Die vier Ecktürme ergänzten erst seit dem 15. bzw. 16. Jh. die Stadtbefestigung. Heute stehen davon nur noch Fragmente.

Von den beiden Tortürmen wurde der südliche (Kremser Tor) 1842 bis zum Durchfahrtsbogen demoliert. Im nördlichen Torturm, im Znaimer Tor, gibt es in einer gotischen Nische ein eisernes Gitter. Etwa um 1300 könnte dieser Turm fertig gewesen sein und seither hatte man in dem Znaimer Tor jene Maut eingehoben, die ursprünglich in der Altstadt, an der Kreuzung bezahlt werden mußte. Hinter dem Gitter, im Hause der Farbenhandlung Burkert, stehen heute noch die gotischen Gemäuer der Mautstube.

Die beiden Vorwerke, die den beiden Stadttoren vorgebaut waren, wurden im 19. Jh. abgebrochen. Die östliche Stadtmauer verwendete man im 19. Jh. als Steinbruch. Man brauchte Steine für einen Straßenbau.

Die Keller von Retz und Geschichte bis ins 15. Jahrhundert

Die noch junge Stadt wurde 1425 durch die Hussiten gebrandschatzt. Die Hussiten kamen aus Böhmen. Nach dem Verbrennungstod des Prager Theologen und Universitätslehrers Jan Hus (1415 in Konstanz) war die Empörung der böhmischen Bevölkerung zu einer Revolution gewachsen.

Aus kleinen Straßenkämpfen, zunächst nur in Prag, entstanden schlagkräftige Heere, die gegen die Heere des Königs erfolgreich kämpften. Schon mit der Überzeugung, sie, die Hussiten, wären die besseren Christen, erkämpften sie sich einen Sieg nach dem anderen. Kriegerisch unzureichend ausgerüstet, um auch eine befestigte Stadt erstürmen zu können, bedienten sich die Hussiten hier in Retz der List. Sie untergruben die Stadtbefestigung und gelangten in einen Keller. Die Katastrophe muß furchtbar gewesen sein.

Diese Mitteilung findet sich in verschiedenen Chroniken. Und sie bedeutet, daß die Weinkeller von Retz, unter den Häusern des Marktplatzes bereits so ausgedehnt waren, daß sie an die Stadtmauer reichten. Also mußte auch damals schon ein ausgedehnter Weinhandel in der Stadt üblich gewesen sein.

Der letzte Graf von Hardegg, Michael von Maydburg, der den Hussitensturm (1425) als neunjähriger Junge überlebte, dürfte 1458 für die zerstörte Stadt Retz vom Kaiser Friedrich III. (+1493) ein für die Stadt wichtiges Privileg (Vorrecht) erwirkt haben. Es umfaßt die Salzniederlage, den Handel mit Getreide und mit Wein. Damit war das privilegierte Recht bestätigt, daß die Stadt mit Wein handeln durfte. Und damit wuchsen die Weinkeller im Laufe der nachfolgenden Jahrhunderte der Länge nach und in die Tiefe.

Die Keller von Retz  

Retz wird landesfürstliche Stadt

Graf Michael von Maydburg, der den Hussitensturm als Kind überlebte, war zweimal verheiratet, hatte aber keine Kinder. Als alter und schon kranker Herr verkaufte er Teile seiner Grafschaft. Erbverträge des gräflichen Hauses mit den Habsburgern verpflichteten Michael, von Gottes Gnaden des hl. Römischen Reiches, Burggraf von Maidburg (Magdeburg), Graf zu Hardegg und zu Retz, Landmarschall in Österreich "... statt und sloß Retz mit samt den ungelt, ... " Friedrich (Römischer Kaiser) zu übergeben.

Retz wurde dadurch zur landesfürstlichen Stadt erhoben. Damit war auch die freie Wahl der Stadtrichter verbunden. Retz hatte somit seine eigene volle Gerichtsbarkeit.

Das 16. Jahrhundert - die Renaissance

Schon um 1540 war der Großteil der Stadtbevölkerung protestantisch geworden. Die (kath.) Marienkapelle war seit etwa 1520 im Umbau oder Wiederaufbau. Durch die neue Religionsrichtung war das Interesse an einer Marienkapelle geschwunden. Die Kapelle stand Jahrzehnte lang öde.

Das 16. Jahrhundert brachte den Bürgern, wohl durch den florierenden Weinhandel, großen Wohlstand. Ein neuer Pranger wurde errichtet. Die Marienkapelle wurde horizontal durch ein Gewölbe geteilt. Im 1. Stock entstanden Ratsaal und Bürgersaal. Unmittelbar danach wurde der gotische Rathausturm erhöht und die Maurer, die den Rathausturm erhöhten, wurden als "welsche Maurer" bezeichnet, d. h. sie sprachen italienisch. Und sie dürften es wohl gewesen sein, die der Stadt den venezianischen Renaissancestil gebracht haben.

Das Gasthaus "Zur Dreifaltigkeit" am Hauptplatz (seit 1894 demoliert) und das "Verderber"-Haus, das aus mehreren gotischen Häusern zu einem Komplex durch Hannes Fierenz von Goerz, 1583, vereint wurde, waren beide in dem italienischen Stil errichtet. Der "moderne" venezianische Stil war Ausdruck eines Weltbürgertums.

Auch das Sgraffitohaus, das "Bemalte Haus", zeigt in seiner italienischen Manier die Vornehmheit seines Bauherrn.

Barock und Rokoko

Der Rathausturm wurde (1615) nochmals erhöht und eine Türmerstube geschaffen.

Nach den Türkenkriegen war ein kultureller Aufschwung zu verzeichnen. Die gotische Stadtpfarrkirche in der Altstadt wurde barockisiert. Von Jakob Prandtauer stammen die Pläne, sein Schwiegersohn Joseph Munggenast führte sie aus. Eine herrliche Grablegungskapelle wurde von einem unbekannten Meister in der Kirche (rechtes Querschiff) geschaffen. Der 82jährige Martin Altomonte malte das Altarbild des hl. Augustinus (schrägstehender Altar, links vom Presbyterium). Das Bild Maria Himmelfahrt (gegenüber der Grablegung) ist die Arbeit eines Schülers von Paul Troger oder des Kremser Schmidt. Das Hauptaltarbild "Die Steinigung des hl. Stephanus" hat Leopold Kupelwieser (1852) geschaffen (Nazarener Schule).

 

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Leopold Kupelwieser: "Die Steinigung des hl. Stephanus" (Ausschnitt)

Die sechs Stationen des Kalvarienberges wurden von dem Eggenburger Steinmetz Jakob Seer und seinen Mitarbeitern (nach 1727) aus Zogelsdorfer Sandstein gehauen. Auftraggeber war ein Rauchfangkehrer, der selbstverständlich das Geld dafür aus dem Weinhandel erwirtschaftet hatte.

Am Hauptplatz entstand (1744) die Dreifaltigkeitssäule nach Entwürfen und Modellen des Tischlers Jakob Barth, der in Retz seine Werkstätte hatte und die Einrichtungen der Rathauskapelle schuf. Ist das auf der Südseite der Dreifaltigkeitssäule die Himmelskönigin, die hl. Maria? Die Krone am Haupt, das Szepter in der Hand? Es ist der Habitus der "Kaiserin" Maria Theresia! Die Säule ist ein Bekenntnis für die Beliebtheit der jungen Regentin!

Im ersten Stock des Rathauses wurde der Wachauer Meister Gottlieb Starmeier für das Deckenfresko (1741) beauftragt, dessen größten Teil aber nicht er, sondern sein damals 22jähriger Lehrling Martin Joh. Schmidt, damals schon in meisterlicher Qualität ausführte. Bekannt wurde dieser Martin Joh. Schmidt erst später. Aus dem Lehrling wurde der "Kremser Schmidt".

Viele barocke steinerne Heiligenfiguren finden sich noch in der Stadt, Marterln und Säulen im Umfeld, und alle zeugen von der Wohlhabenheit der Bürger, von dem "weltweiten" Weinhandel. Denn Retz war durch Jahrhunderte die Metropole für den Weinhandel, in erster Linie orientiert nach den nördlichen Nachbarländern Mähren, Böhmen, aber auch nach Sachsen und Schlesien und später auch nach Galizien.

Retz während der Kriege

Noch im 15. Jh., als der König von Ungarn und Böhmen, Mathias Corvinus, Kaiser Friedrich III. aus dem heutigen Niederösterreich vertrieb, eroberten 1486 ungarische Truppen Retz. König Mathias erneuerte das bestehende Handelsprivileg.

Der 30-jährige Krieg brachte auch Retz Notstand. Schon 1620, als die kaiserlichen Truppen in Prag (Schlacht am Weißen Berg) die protestantischen Heere geschlagen hatten, kamen die kaiserlichen Truppen bei ihrer Heimkehr nach Wien auch nach Retz und forderten die damals protestantische Stadt auf, sich zu ergeben. Das verweigerten die protestantischen Bürger. Retz wurde beschossen. Einige Häuser gingen in Flammen auf. So auch das spitze Dach des Rathauses. Seither hat das Rathaus ein flaches Dach bzw. Grabendächer.

1645 rückte von Prag her das schwedische Hauptheer unter General Torstenson heran. Retz hatte nur seine Bürgerwehr zur Verteidigung. Mit einer Verstärkung vom kaiserlichen Heer war nicht zu rechnen. Daher kapitulierte Retz kampflos.

Über ein halbes Jahr waren schwedische Truppen in der Stadt. Die Verluste waren verheerend. Nicht nur alles Silber und eine vergoldete gotische Monstranz wurden beschlagnahmt. Die Zahlungen führten zur Verarmung der Bevölkerung. Allein vom Rathauskeller waren ca. 43.000 Liter Wein an die Schweden abgegeben worden. Die Flurschäden waren enorm! Am Abhang des Kalvarienberges wurde als Dank für das Ende der Not ein Schwedenkreuz (1651) aufgerichtet. Im Erbfolgekrieg Maria Theresias war auch der König von Preußen, Friedrich II. in Retz.

In den Napoleonischen Kriegen gab es um Znaim zwei Schlachten und eine bei Schöngrabern. Nach der zweiten Schlacht von Znaim (1809) brachte man viele Verwundete nach Retz, sodaß zu dieser Zeit ein Gräberfeld für 2.300 Tote angelegt wurde (Franzosenkreuz an der Wallstraße).

1945 wurde Retz am letzten Kriegstag, am 8. Mai, den Russen kampflos übergeben. Der Soldatenfriedhof in der Nähe des Kalvarienberges birgt etwa 1000 Tote aus dem Bereich des Weinviertels. Der Friedhof wurde erst 1979 angelegt.

 

Verwendete Literatur:

Rud. Resch: Retzer Heimatbuch, 1. Bd.. 1936
Max Weltlin: Vorbemerkungen zum Nachdruck des 1. Bandes, 1984
Rud. Resch: Retzer Heimatbuch, 2. Band, 1951
J. K. Puntschert: Denkwürdigkeiten der Stadt Retz, 2. Aufl., 1894 
Herwig Friesinger/Brigitte Vacha: Die vielen Väter Österreichs, 1988
Bruno Brehm: Tag der Erfüllung
Peter Csendes: Die Straßen Niederösterreichs im Früh- und Hochmittelalter, 1969
Richard Friedenthal: Ketzer und Rebell, 2. Aufl., 1972